Viel wirst du geben, wenn du auch gar nichts anderes gibst, als nur dein Beispiel
(Seneca)
Jeder von uns kann jeden Tag die Welt verändern. Am leichtesten geht das mit der eigenen Geldbörse:
Denn jeder Cent, der ausgegeben wird, unterstützt einen bestimmten Wirtschaftszweig.
Ich persönlich betrachte das tägliche "Geld ausgeben" als politischen Akt und frage mich z.B.:
- Welche Menschen,
- welcheLebensmittelproduktion,
- welche Textilproduktion und
- welche energetischen Kreisläufe möchte ich unterstützen?
Natürlich kann ich nicht immer und bei jedem Produkt zu 100 Prozent ökologisch entscheiden (wir fahren ein Auto und benutzen z.B. Motorsägen auf dem Hof). Aber so oft es geht, setzen wir auf die für uns nachhaltigste Variante: nachwachsende Rohstoffe, second Hand Dinge, und natürlich biologische Lebensmittel.
Wir sind hauptberuflich Lebensmittel-Produzenten. Und wir sind uns unserer Verantwortung bewusst.
Deshalb beschreib ich in diesem Blog, was aus meiner und unserer Sicht biologisch produzierte Lebensmittel so wertvoll macht.
Und welche entscheidende Rolle die biologische Landwirtschaft für die Zukunft von uns Menschen auf diesem Planeten spielt.
Fragt ihr euch auch, wo Eure Lebensmittel herkommen?
Sehr gut! Denn hinter solchen Fragen steckt eine große Verantwortung, die wir bereits unseren Kindern beibringen sollten:
Wo sind die Kartoffeln für meine Pommes gewachsen? Wie wurde mein Apfel behandelt? Wie ging es der Kuh, deren Milch ich trinke? Was fraß eigentlich mein Brathühnchen? Hat das Schwein, dessen Speck auf meinem Jausenbrettl liegt, jemals die Sonne gesehen?
Bio.logisch
„Biologisch" bedeutet, dem griechischen Wortstamm gemäß, „der Lehre des Lebens folgend" und bringt auf den Punkt, was das Wesen der biologischen Landwirtschaft ausmacht: Alle „biologisch" handelnden und wirtschaftenden Personen streben den völligen Einklang mit der Natur an.
Sie versuchen, die natürlichen Stoffkreisläufe zu erkennen und so gut es geht zu nutzen, damit sich sogenannte ökosystemische Gleichgewichte einstellen.
Sehr häufig passiert es, dass der Mensch zu kurzsichtig agiert und die weitreichenden Folgen seines Handelns erst spät erkennt. Doch die Natur, wie etwa der Boden, hat ein sehr langes Gedächtnis, und die Versäumnisse und Fehler einer Generation können noch Jahrzehnte später ihren Tribut fordern.
„Biologisch" denkende und handelnde Menschen haben es sich zum Lebensinhalt gemacht, solche Fehler so gut es geht zu vermeiden. Patentrezept gibt es hierzu natürlich keines.
Jeder findet seinen eigenen Weg.
Und dieser Weg ist das Ziel.
„Bio" ist ein Prozess, eine kontinuierliche Entwicklung. Vor ein paar Jahrzehnten machten sich einige wenige auf diese Reise, nun werden es immer mehr. Manche folgen dem Ruf des Marktes nach mehr Bioprodukten, andere erkennen immer deutlicher die globalen Grenzen der konventionellen Landwirtschaft.
Der Weltagrarbericht (www.weltagrarbericht.de) empfiehlt eine weltweite ökologische, kleinbäuerliche Landwirtschaft, um die Ernährung der ständig wachsenden Weltbevölkerung nachhaltig zu sichern. In diesem Sinne gehen die Biobauern Südtirols mit gutem Beispiel voran. Und die Konsumenten regionaler Bioprodukte unterstützen sie dabei.
Wir vergöttern die Pioniere: Sie haben die Lösung für ihren Betrieb gefunden. Individuallösungen. Und dann haben sie sich zusammengetan.
Südtirols Biogeschichte:
Bereits Ende der 1970er-Jahre interessierten sich einige Südtiroler Landwirte für eine ökologische Alternative zur konventionellen, zunehmend chemisch orientierten Landwirtschaft. Sie entwickelten eine ressourcenschonende und umweltbewusste Wirtschaftsweise, bei der sie anfangs zum Teil herbe Rückschläge hinnehmen mussten.
Viele Biopioniere wurden damals als Fortschrittsverweigerer bezeichnet.
Heute gelten sie als innovative Marktnischenbesetzer und Trendsetter.
Entgegen der globalen Tendenzen der industriellen Landwirtschaft versuchen sie zunehmend, auf Unabhängigkeit und regionale Kreisläufe zu setzen. Und die Verbraucher danken es ihnen mit steigender Nachfrage nach biologischen Lebensmitteln.
Doch woran erkennt man Bio-Lebensmittel?! Natürlich am Siegel:
Die EU-Biozertifizierung
Seit 1991 gibt es in Europa eine einheitliche Regelung der biologischen Landwirtschaft.
Möchte ein Produzent das Wort „biologisch" auf seine Produkte schreiben, muss er seinen Betrieb nach geltendem EU-Gesetz „biozertifizieren" lassen. Er meldet sich behördlich an und wird in das nationale Register der Biobetriebe aufgenom-men. Eine unabhängige Kontrollstelle (z.B. AbCert, das ist unsere) überprüft regelmäßig, ob alle gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Produktionssparte eingehalten werden. Als Konsument erkennt man die gültige Biozertifizierung am EU-Biosiegel (Bild siehe unten), einem Blatt aus weißen Sternen in einem hellgrünen Rechteck, sowie an der Kontrollstellennummer (z. B. IT-BIO-013), die stets vorhanden sein muss.
Der Anteil der biologischen Landwirtschaft beträgt in Südtirol rund 13,8 Prozent beim Apfel-Anbau und etwa 7,7% beim Wein. (Stand 2020)
Bioverbandszertifizierung
Doch vielen Biobauern sind die Regelungen des EU-Biogesetzes nicht streng genug - dazu zählen auch wir.
Deshalb haben sich diese Landwirte zu Verbänden zusammengeschlossen und zusätzlich zu den gesetzlichen, eigene, anspruchsvollere Biorichtlinien entwickelt.
Deren Einhaltung wird zusätzlich zur gesetzlichen EU-Biozertifizierung auch von der unabhängigen Kontrollstelle überprüft. Ob ein Produkt bio-verbandszertifiziert ist, erkennt der Verbraucher am jeweiligen Verbandslogo. In Südtirol haben sich die landwirtschaftlichen Biobetriebe u. a. folgenden Bioverbänden angeschlossen: Bioland, Demeter und Naturland. Im Detail unterscheiden sich die Richtlinien der einzelnen Verbände, in den Grundsätzen stimmen sie allerdings überein: Angestrebt werden Bodenfruchtbarkeit, Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft, gesunde, hochwertige Lebensmittel und Tierwohl.
Bioland-Verband Südtirol
Der Bioland-Verband ist in Deutschland und Südtirol aktiv. Seit seiner Gründung im Jahr 1991 hat Bioland Südtirol sich zum größten und politisch aktivsten Bioverband des Landes entwickelt. Das Verbandsbüro befindet sich in Lana. Von dort aus werden die Mitglieder unter anderem durch Beratung (z. B. Umstellungs-, Ökologie- und Naturschutzberatung), Rundschreiben, Organisation von regelmäßigen Fachgruppentreffen, Märkten und Fortbildungsveranstaltungen unterstützt. Für Verbraucher zu erkennen ist die Bioland-Zertifizierung am dunkelgrünen Quadrat mit weißem Bioland-Schriftzeichen.
Arbeitsgemeinschaft für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise
Mitte der 1980er-Jahre schlossen sich biodynamisch wirtschaftende Landwirte in Südtirol zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, um gemeinsam biologisch-dynamische Präparate herzustellen. Diese Präparate bestehen aus Heilpflanzen, Mineralien oder tierischen Elementen, werden unter Beachtung kosmischer Rhythmen hergestellt und dienen z. B. dazu, die Lebendigkeit des Bodens zu fördern. Die Grundsätze der biodynamischen Landwirtschaft postulierte Rudolf Steiner 1924 im Rahmen seines „Landwirtschaftlichen Kurses" in Koberwitz (heutiges Polen). Biologisch-dynamische Produkte erkennt man an der Marke Demeter.
Seid neugierig!
Denn keine Zertifizierung und kein Label kann oder soll den persönlichen Kontakt zwischen den Menschen ersetzen. Ich empfehle euch mit den Produzenten selbst ins Gespräch zu kommen: lasst euch erzählen, wo die Pflanzen wachsen, wie sie angebaut und gepflegt werden, und wie die Tiere leben. „Seinen" Bauern zu kennen ist in der globalisierten Welt eine unschätzbare Quelle von Lebensqualität.
Einen Südtiroler Bio-Einkaufsführer findet ihr hier: www.bioinsuedtirol.it.
--> Teile von diesem Blog-Artikel sind aus meinem Vorwort und der Einleitung meines kleinen Bio-Reiseführers "Alles bio! Süditrol" (ISBN 978-3-85256-689-4) entnommen, den ich 2015/2016 für das Verlagshaus FOLIO geschrieben habe.